Noch nie haben Familien so viel Zeit miteinander verbracht wie heute. Das steigert auch die Wahrscheinlichkeit für Konflikte. Und liebevoll auf ein wütendes Kind zu reagieren – das ist schwer. Es ist anstrengend, die volle Wut des eigenen Kindes abzubekommen.

Konflikte zwischen Eltern und Kindern sind unvermeidlich.

Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit als Zwölfjährige. Damals sagten meine Eltern oft, es falle ihnen schwerer, mich zu bestrafen, als mir. Ich dachte sarkastisch: »Ja klar.«

Heute, Jahrzehnte später fühle ich als Mutter genau dasselbe.

Ich hasse es, wenn meine Jungs sauer auf mich sind.

Es ist schwer für Eltern, mitanzusehen, wie ihre Kinder die Konsequenzen ihres Handelns tragen müssen.

Aber genau so lernen sie. Kein Erziehungsbuch bereitet dich auf das schreckliche Gefühl vor, wenn dein Kind ungehorsam, aufsässig und wütend ist.

Aber konstruktiv mit Konflikten umzugehen, passiert nicht einfach – es braucht Übung und Geschick.

Lege eine Pause ein.

Es ist schwer, ruhig zu bleiben, wenn dein Kind vor Wut explodiert. Denn Wut wirkt abweisend auf andere Menschen und löst eine Stressreaktion in uns aus – Kampf, Flucht oder Erstarren. Wenn wir respektlos behandelt werden, wollen wir instinktiv dagegen ankämpfen, aber das hilft selten. Die Autorin L.R. Knost schlägt vor: »Wenn kleine Menschen von großen Emotionen überwältigt werden, ist es unsere Aufgabe, unsere Ruhe zu teilen, nicht ihr Chaos.«

Obwohl es herausfordernd ist, ist es wichtig, auch bei Meinungsverschiedenheiten und Frustration freundlich zu bleiben. Dazu müssen wir unser emotionales Gehirn beruhigen und unser logisches Gehirn aktivieren. Wenn nötig, nimm dir einige Minuten oder sogar Stunden, um dich zu beruhigen.

Erlaube dir, deine erste emotionale Reaktion hinter dir zu lassen, damit du eine durchdachte Antwort geben kannst. Indem wir unseren eigenen Ärger beherrschen, zeigen wir unseren Kindern, wie sie mit ihrem eigenen Ärger umgehen können.

Hilf deinem Kind, zu erkennen, was hinter der Wut steckt.

Wut ist eine natürliche Reaktion auf Schmerz und verdeckt oft tiefer liegende Verletzungen. Sie kann als unmittelbare Reaktion auf eine Bedrohung entstehen oder sich mit der Zeit aufbauen. Fast ausnahmslos berichten mir wütende Kinder und Jugendliche, die ich berate, dass sie sich ignoriert, unwichtig oder entwertet fühlen.

Unseren Kindern beizubringen, mit starken Emotionen umzugehen, ist eine wertvolle Lebenskompetenz. Wut kann aus tiefen Schichten kommen, die nach Anerkennung und Ausdruck verlangen. Reagiere darauf, indem du ihre Emotionen anerkennst und gleichzeitig klare Grenzen setzt: »Es ist okay, wütend zu sein, aber nicht okay, respektlos zu sein, Türen zu knallen oder deiner Schwester an den Haaren zu ziehen.« Oder: »Ich verstehe, dass du sauer bist, weil du bei Lisa übernachten möchtest. Meine Entscheidung steht fest, aber sobald du dich beruhigt hast, erkläre ich dir gern meine Gründe.

Suche nach Kompromissen, wo es möglich ist.

Einmal hörte ich einen Erziehungsexperten raten, nicht mit aufgebrachten Kindern zu verhandeln, weil: »Mit Terroristen verhandelt man nicht.« Obwohl ich diesen Gedanken (zumindest ansatzweise) nachvollziehen kann, finde ich es hilfreicher, Verbindung aufzubauen, wo immer möglich. Wenn dein Kind oder Teenager sich die Mühe macht, seinen Standpunkt auf respektvolle und durchdachte Weise zu erklären, begrüße das! Und danke ihm anschließend dafür. Obwohl du zweifellos viele gute Argumente hast, wird dein Kind unter Druck eher neue (und hilfreiche) Informationen ablehnen, statt sie anzunehmen.

Wenn dein Kind ruhig ist, kannst du ein Gespräch beginnen mit: »Zunächst einmal möchte ich, dass du weißt, dass ich dich liebe.« Es geht hier nicht darum, deine Ansichten aufzugeben, sondern deinen Kindern vorzuleben, schwierige Gespräche offen zu führen. Schließlich schleift Eisen Eisen.

Ermutige zu gesundem Ausdruck von Gefühlen.

Wenn Kinder glauben, unfair behandelt worden zu sein, fällt es ihnen schwer, ihre Feindseligkeit zu kontrollieren. Schulkinder können ihre Emotionen besser regulieren als Kleinkinder oder Vorschüler. Dennoch profitieren alle Altersgruppen davon, Selbstregulationsfähigkeiten zu lernen. Untersuchungen zeigen sogar, dass die Fähigkeit, Emotionen zu regulieren, ein besserer Indikator für schulischen Erfolg ist als der IQ.

Jüngere Kinder nutzen das Rollenspiel, um sich selbst zu regulieren. Im Spiel »proben« sie Probleme mit Gleichaltrigen und entwickeln so soziale, emotionale und Konfliktlösungskompetenzen.

Eltern von wütenden Teenagern kennen die Herausforderung, durch Verachtung hindurch zu kommunizieren. Ermutige sie zur Selbstregulation, vermeide aber – so verlockend es auch sein mag – zu schreien: »Geh in dein Zimmer und beruhige dich erst einmal!« Es geht darum, deinem Teenager zu helfen, seinen Ärger produktiv auszudrücken. Jugendliche, die ich berate, lernen selbstdiszipliniert nach dem zu fragen, was sie brauchen. Hilfreiche Formulierungen sind etwa: »Mama, können wir das Thema wechseln? Ich werde wütend.« Oder: »Papa, ich muss kurz rausgehen und meine Gefühle sortieren.«

Gib Kontrolle ab und bleib verbunden.

In Konflikten fühlt sich Erziehung oft wie ein endloses Spiel an, Grenzen zu setzen und durchzusetzen – was niemandem Spaß macht. Es mag verlockend sein, den Widerstand unserer Kinder durch Kontrolle oder Dominanz zu brechen. Kurzfristig fühlt sich Kontrolle vielleicht gut an, verschärft aber meist die Spannungen. Konzentriere dich stattdessen auf den Beziehungsaufbau. Laut Kommunikationsexpertin Melodie Stanford Martin gibt es zwei Hauptziele in jedem Konflikt: (1) die Beziehung zu schützen und (2) die Wahrscheinlichkeit gegenseitigen Verständnisses zu erhöhen. Aussagen wie »Du hast da einen guten Punkt« oder »So habe ich das noch nicht gesehen …« sind kraftvolle Möglichkeiten, dich mit deinem Kind zu verbinden.

Ich verstehe, dass dieser Ansatz eine deutliche Abkehr von der Art ist, wie viele von uns erzogen wurden. Doch der Übergang gelingt leichter, wenn wir weniger auf Kontrolle und mehr auf Verbindung setzen. Entscheidend ist, dass dein Kind spürt: Trotz aller Konflikte bleibt die Beziehung sicher und unversehrt.

Dieser Artikel wurde von Dr. Chinwé Williams verfasst und zuerst von Parent Cue veröffentlicht. Dr. Chinwé Williams ist Psychotherapeutin, Hochschuldozentin und Expertin für Resilienz und Traumabewältigung bei Jugendlichen – ihre praxisnahen Tipps helfen Eltern, auch in schwierigen Momenten sicher und einfühlsam zu führen. Deutsche Version von Andy Fronius.

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