Heute zeigen wir dir, wie du mit dem Klassenrat nicht nur für mehr Ruhe im Unterricht sorgst, sondern Kinder und Jugendliche dazu bringst, Verantwortung zu übernehmen, kreative Lösungen zu finden und sich als echte Teamplayer zu erleben.

Der Artikel stammt aus dem Klassiker Positive Discipline von Dr. Jane Nelsen, einer Pionierin, deren Werk ich schätze und regelmäßig in meiner Arbeit mit Familien und Jugendlichen anwende.

Die E-Mail heute richtet sich vor allem an Lehrer. Ich setze die Methode aber auch gewinnbringend in der Familie ein. Mehr zum Thema Familienrat findest du auch hier.

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Klassenrat

Der positive Ansatz ist nur dann effektiv, wenn die Einstellung der Erwachsenen von gegenseitigem Respekt geprägt ist und ihnen die langfristige Entwicklung der Kinder am Herzen liegt. Wenn Kinder solch respektvolle Interaktionen mit Erwachsenen erleben dürfen, wie sie hier im Buch beschrieben werden, gilt das Versprechen, dass sie Selbstdisziplin, Kooperationsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein, Resilienz, Einfallsreichtum und Problemlösungskompetenzen entwickeln, die sie brauchen, um fähige Erwachsene zu werden.

Die Essenz dieser Versprechen und Einstellungen werden vollumfänglich in regelmäßig stattfindenden Klassen- und Familienratssitzungen umgesetzt und erlebbar gemacht. Solche Sitzungen bieten Erwachsenen und Kindern die besten Voraussetzungen, um demokratische Vorgänge wie Kooperation, gegenseitigen Respekt und Problemlösungsorientierung zu erlernen und zu üben. Klassen- und Familienrat sind zwei der besten Möglichkeiten, wie Kinder ihre Fähigkeiten in allen Sieben bedeutsamen Einsichten und Fertigkeiten aus Kapitel 1 festigen können. Trotzdem wollen manche Eltern und Lehrpersonen eigentlich nur vom eintretenden Nebeneffekt profitieren: Kindliches Fehlverhalten verschwindet. Das ist so weit auch in Ordnung, wenn sie denn verstehen, dass es nur ein Nebeneffekt – wenn auch ein richtig guter – ist und nicht das Hauptziel von Familien- und Klassenratssitzungen darstellt. Einmal sagte ein Lehrer: »Ich bin nicht in den Schuldienst eingetreten, um Polizist, Richter, Geschworener und Vollzugsbeamter zu werden. Seitdem wir Klassenrat halten, sind meine Kinder respektvoller und hilfsbereiter. Sie lösen ihre Probleme selbst und ich habe mehr Zeit zum Unterrichten.«

Die Kinder lernen und üben, ›good finders‹ zu sein (ein Begriff, den Thomas J. Peters in seinem Buch »Auf der Suche nach Spitzenleistungen: Was man von den bestgeführten US-Unternehmen lernen kann« benutzt), wenn sie Komplimente machen und Problemlösungsstrategien entwickeln, indem sie respektvolle Lösungen brainstormen. Diese Fähigkeiten werden ihnen bei jedem größeren Projekt im Leben nützen, sind genauso wichtig wie fachliches Wissen und müssen tagtäglich geübt werden. Lehrkräfte hören von mir häufig die Frage, ob sie ihre Schülerinnen und Schüler auch nur einmal die Woche im Lesen und in Mathe unterrichten würden. Natürlich nicht, sagen sie immer. Wenn ich sie frage, warum nicht, antworten sie, dass Kinder sich jeden Tag mit Lesen und Mathe beschäftigen müssen, damit das Erlernte geübt wird und sich einprägt. Dann frage ich sie, ob die Kinder das, was sie fürs Leben lernen, um fähige Erwachsene zu werden, üben und behalten können, wenn sie nur einmal die Woche damit konfrontiert werden (und ansonsten nur graue Theorie dazu hören). Dann fällt der Groschen immer.

Immer wenn Kinder in der Klasse Probleme haben, könnte die Lehrperson sie fragen: »Möchtest du dein Problem vielleicht auf die Tagesordnung des Klassenrats setzen?« Das allein ist für den Moment schon Lösung genug und verschafft allen Beteiligten eine Abkühlphase, bevor sie auf Lösungssuche gehen. Eine Lehrerin warf ein, dass die Kinder in ihrer Förderklasse sofortige Hilfe benötigen, wenn sie wütend sind. Ich schlug ihr vor, dass sie den Kindern einfach mal den Vorschlag mit der Tagesordnung machen solle, um zu schauen, wie sie reagierten. Beim nächsten Mal berichtete sie, dass die Kinder sichtbar aufgebracht zur aushängenden Liste gingen, ihr Problem eintrugen und ruhig an ihren Platz zurückkehrten. Für sie war es genug, zu wissen, dass ihr Problem bald besprochen wird.

Im Kindergarten ist eine kürzere Abkühlphase angebracht, dort reicht schon eine Stunde.

Bevor ein Problem angegangen wird, empfiehlt sich eine Abkühlphase von mindestens einem Tag. Länger als drei Tage warten zu müssen, wirkt entmutigend. Darum sind Klassenratssitzungen, die nur einmal in der Woche stattfinden, auch nicht effektiv. Das Problem auf die Tagesordnung zu setzen, kann also auch schon als Abkühlphase gelten.

Schülerinnen und Schüler sind oft besser in der Lage, ihre Probleme zu lösen als ihre Lehrkraft, einfach deswegen, weil sie mehr sind und der Brainstorming-Prozess maßgeschneiderte Lösungen hervorbringt. Sie haben viele großartige Ideen, wenn ihnen erlaubt wird und sie dazu ermutigt werden, sie zu äußern. Letzten Endes verschwinden viele problematische Verhaltensweisen, wenn die Kinder sich ermutigt fühlen, ihnen zugehört wird, sie ernstgenommen und ihre Ideen wertgeschätzt werden. Außerdem sind sie Teil des Prozesses und daher motiviert, die Regeln oder Lösungen, die sie selbst mitbestimmt haben, auch umzusetzen und zu leben. Lehrkräften fällt auf, dass Kinder viel bereitwilliger kooperieren, wenn sie in die Entscheidungen einbezogen wurden, sogar dann, wenn die gemeinsam beschlossene Lösung dieselbe ist, die die Lehrkraft schon viele Male zuvor vergeblich vorgeschlagen hatte.

Sitzungen, bei denen Kinder involviert sind, bergen noch viel mehr Vorteile. Lehrkräfte sind regelmäßig verblüfft, was für fachliche und soziale Kompetenzen Kinder durch den Klassenrat erlangen. Weil sie intensiv in die Suche nach Lösungen ihrer eigenen Probleme eingebunden sind, erwerben sie Fähigkeiten wie Zuhören, ihr Horizont erweitert sich und ihre Sprachentwicklung schreitet voran, sie trainieren Gedächtnis und objektives Denken und finden eigenständig logische Konsequenzen. Sie lösen Probleme aus den Bereichen Gesundheit und Sicherheit. Sie lernen und üben Streitschlichtung, sowohl präventiv als auch akut. Der Mehrwert dieser Art der Streitlösung besteht darin, dass alle Schülerinnen und Schüler involviert sind, nicht nur ein paar wenige. Außerdem schätzen sie den Wert des Gelernten höher ein und verstehen besser, wie es funktioniert. Ein Beispiel: Während eines Klassenrats ging es um das Thema Spicken. Die Kinder besprachen alle Gründe, warum man nicht Spicken sollte (inklusive »Dabei lernst du nichts«). Normalerweise gehen diese Argumente bei ihnen rechts rein und links wieder raus, wenn sie ein Erwachsener anbringt, aber diesmal nicht.

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Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Auszug aus Kapitel 8 Klassenrat, der deutschen Übersetzung des Buches »Positive Discipline« von Dr. Jane Nelsen. Verwendet mit Genehmigung des Adonia Verlags.

Richte deinen Blick auf Lösungen

Bring deinen Schülerinnen und Schülern bei, ihren Blick auf Lösungen zu richten, bevor sie ein Problem angehen. Lass sie dazu zuerst über natürliche Konsequenzen nachdenken, indem du sie fragst, was passieren würde, wenn niemand etwas unternähme:

  • Wenn du im Regen stehst? – Wirst du nass.
  • Wenn du auf der Autobahn spielst? – Wirst du vielleicht überfahren.
  • Wenn du nicht schläfst? – Wirst du müde.
  • Wenn du nichts isst? – Wirst du hungrig.

Normalerweise lernen Kinder am besten, wenn sie die natürlichen Konsequenzen ihrer Handlungen erleben dürfen, ohne vorher über Lösungen nachzudenken. Erwachsene sollten nur insofern eingreifen, als dass sie Empathie zeigen oder offene Fragen stellen, damit Kinder verstehen können, wie es zu dieser Situation kommen konnte.

Während des Brainstormings haben Kinder und Jugendliche dieselben Probleme mit logischen Konsequenzen wie Erwachsene. Sie versuchen oft, eine Bestrafung als logische Konsequenz zu verkaufen. Aber wenn man sie fragt, ob diese Lösung logisch, angemessen, respektvoll und nutzbringend ist, also den LAR+N-Kriterien für Lösungsorientierung aus Kapitel 6 entspricht, verbessern sie sich schnell.

Eine gute Idee wäre, wenn die Kriterien auf einem Poster an der Wand hingen, damit sie immer präsent sind. Dann sollen die Kinder sich Lösungen für folgende Probleme überlegen:

  • Jemand kritzelt auf den Tisch.
  • Jemand foult beim Fußball.
  • Jemand macht seine Aufgaben im Unterricht nicht.
  • Jemand kommt zu spät zur Schule.

Am Anfang ist es ideal, wenn die Schülerinnen und Schüler nur an hypothetischen Situationen üben, damit sie nicht emotional involviert sind und sich keiner schämt. Nachdem ihr eine Liste mit möglichst vielen Vorschlägen erstellt habt, wird gemeinsam überlegt, wie gut oder wie schlecht die Vorschläge den LAR+N-Kriterien für Lösungsorientierung entsprechen:

Ist der Vorschlag für die betreffende Person hilfreich oder schmerzhaft? Die Klasse soll entscheiden, welche Vorschläge gestrichen werden, weil sie den Kriterien entweder nicht entsprechen oder auf andere Weise schmerzhaft oder unangemessen sind.

Ein Schritt weiter

Obwohl logische Konsequenzen Kindern helfen können, aus ihren Fehlern zu lernen und beim nächsten Mal entsprechend besser zu reagieren, beobachte ich mit Sorgen, wie oft logische Konsequenzen falsch eingesetzt werden. Wenn Lehrkräfte Bestrafungen als logische Konsequenzen tarnen, werden die Kinder es ihnen nachmachen. Viele Sitzungen des Klassenrats fühlen sich dann an wie ein Boxring, weil sich Kinder und Lehrkräfte nur auf logische Konsequenzen konzentrieren, die den betroffenen Kindern nicht helfen, sondern ihnen schaden.

Sie haben vergessen, dass sich logische Konsequenzen oft zu sehr an der Vergangenheit orientieren. Aus der Vergangenheit zu lernen, ist eine gute Idee, aber nicht, wenn es nur darum geht, in der Gegenwart Schuld, Beschämung und Schmerz zu verursachen.

Logische Konsequenzen sind also keine Universalantwort auf alle problematischen Verhaltensweisen. Auch wenn es nützlich ist, logische Konsequenzen zu verstehen, ist es sinnvoller, sich auf Lösungen zu konzentrieren. Gibt man ihnen die Gelegenheit, finden Schülerinnen und Schüler viele Lösungen, die überhaupt nichts mit Konsequenzen zu tun haben.

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Liste aller Gruppenleiter und Trainings von Positive Discipline Auf Deutsch: www.positivedisciplineaufdeutsch.org
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