Sollen wir einen neuen Anfang wagen?

Im vorherigen Artikel haben wir beobachtet, dass die meisten Menschen, denen wir im Alltag begegnen, keinerlei Dringlichkeit verspüren, sich mit dem Glauben zu beschäftigen – und es deutet wenig darauf hin, dass sich ihr Interesse bald ändern wird. Deshalb haben wir betont, dass eine der wichtigsten Aufgaben von Christinnen und Christen in einem postchristlichen Umfeld darin besteht, in den Trümmern aufgegebener Glaubensvorstellungen nach neuen Gesprächsanlässen zu suchen, um Menschen für die gute Nachricht zu gewinnen.

Doch solche »Absprungpunkte« in alltäglichen Beziehungen und Gesprächen zu finden, ist eine große Herausforderung.

(Interviewer): »Gab es in deinem Leben schon mal den Moment, in dem du dir eine echte Frage über deinen Glauben gestellt hast? So etwas wie: Wenn Gott jetzt direkt vor mir stehen würde, das wäre meine Frage an ihn(Jugendlicher): »Nee, ich glaube nicht.« — Quelle: NO QUESTIONS ASKED: THE FINDINGS FROM A QUALITATIVE STUDY OF 16–19 YEAR-OLDS IN LUTON, THE YOUTHSCAPE CENTRE FOR RESEARCH, 2016, P.14

In unserer Erfahrung ist das Relevanz-Problem eines der größten Hindernisse dafür, dass Menschen im Alltag irgendeine Form von Glauben oder Überzeugung verfolgen.

Das gilt auch für die Jugendlichen, mit denen wir im Vereinigten Königreich zusammenarbeiten:

»Diese Generation ist Glauben gegenüber neutral – sie ist nicht unbedingt gegen Gott oder Spiritualität. Aber wenn keine Krise da ist oder sie nicht in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen sind oder Freunde haben, die über ihren Glauben reden, dann steht Glaube einfach nicht auf der Tagesordnung.« — Neil O’Boyle, Youth for Christ UK, Z-A of Faith and Spirituality, S.40

Und auch auf der anderen Seite des Atlantiks sieht es nicht viel anders aus:

»Für die meisten Teenager gehört Religion einfach zum Möbelstück ihres Lebens – nichts Besonderes, eher etwas, das man als gegeben hinnimmt. Die meisten scheinen mit einer Art ‚niedriger Sichtbarkeit‘ von Religion zu leben, die irgendwo im Hintergrund ihrer Gedanken mitschwingt.« — Smith, C. & Denton, M.L., Soul Searching: The Religious and Spiritual Lives of American Teenagers, Oxford University Press, 2005, S.122, 137

Das aktuelle Klima hat viele Christinnen und Christen regelrecht »außer Gefecht« gesetzt. Viele fühlen sich überfordert und wissen gar nicht, wo sie anfangen sollen, wenn es darum geht, mit Freunden, Familie, Nachbarn oder Kolleginnen über ihren Glauben zu sprechen. Ironischerweise geschieht all das in einer Zeit, in der es unzählige gute Bücher, starke Programme und hilfreiche Kurse gibt, die eigentlich dabei helfen könnten, genau das zu tun.

Also: Wo fangen wir an?

Wie können diejenigen unter uns, die noch immer den Wunsch haben, von Jesus und der Hoffnung zu erzählen, neuen Mut finden – gerade in dieser Zeit des Unglaubens? Können wir überhaupt noch echtes Interesse wecken – bei einer Generation, der alles irgendwie egal ist?

Kurz gesagt: Wo setzen wir an?

Ein neuer Anfang bedeutet: Verstehen

  • Die Fragen, die Menschen heute stellen, sind nicht dieselben, die ich ihnen stellen möchte.
  • Wahrheit wird heute eher durch Erfahrung als durch logische Beweise beurteilt.
  • Neugier wird nicht durch Infos geweckt, sondern durch innere Sehnsucht.

Versteh, welche Fragen heute wirklich gestellt werden

Neue Hoffnung und neue Wege entstehen, wenn wir die »kulturelle Staubschicht« der Gleichgültigkeit vorsichtig beiseiteschieben – um herauszufinden, welche Fragen Menschen heute tatsächlich bewegen.

»Im 18. Jahrhundert war es wichtig zu zeigen, dass das Christentum wahr ist; im 21. Jahrhundert ist es wichtig zu zeigen, dass es funktioniert.« — Alister McGrath, Narrative Apologetics, S. 17

Statt Skepsis über die Existenz Gottes, die Vertrauenswürdigkeit der Bibel oder die Glaubwürdigkeit der Evangelien stellen Menschen heute überraschend praktische Fragen. Sie lauten etwa:
»Na und?« – »Warum sollte man überhaupt über Gott nachdenken?« – »Wie könnte mir der Glaube an Gott in meinem Leben konkret helfen?«

Diese Fragen betreffen die Relevanz des Glaubens – nicht seine Wahrheit oder Beweisbarkeit.

»Die Beweise, auf die Postmoderne reagieren, sind Beweise für Attraktivität, Relevanz, Harmonie und Nützlichkeit einer Überzeugung. Wenn das sichtbar wird, sind auch logische Argumente hilfreich. Aber ohne den Beweis, dass der christliche Glaube wirklich anziehend und relevant ist, verfehlen logische Beweise ihre Wirkung.« — Rick Richardson, Evangelism Outside the Box, S. 97

Wir haben in Artikeln und auf Social Media immer wieder Beispiele aus eigener Erfahrung geteilt – und sie bestätigen, was Forscher und Praktiker schon lange sagen: Fragen zur Relevanz stehen heute im Vordergrund, nicht Fragen nach der Wahrheit.

Wie ich im letzten Artikel erwähnt habe, ist mein Freund Simon ohne Glauben aufgewachsen. Er nahm unsere Einladung an, in einer Kleingruppe die Bibel zu lesen. Nach einigen Wochen ohne Durchblick stellte ich ihm eine ganz einfache Frage: »Simon, hast du das Gefühl, dass du Gott brauchst?« Seine Antwort: »Ich glaube nicht. Ich weiß nicht, wie Gott mein Leben besser machen würde.«

Oder Adam, ein Teenager, dem ich meine Geschichte erzählen durfte:
Sein höflicher Kommentar danach: »Ich find’s schön, dass du glaubst. Aber für mich bringt das irgendwie nichts.«

Neben solchen Freunden, die entweder keinen Bezug zu Gott haben oder keinen Bedarf sehen, gab es andere, die uns fast flehentlich sagten:
»Ich wünschte, man könnte einfach daran glauben, dass wir auch ohne Gott gut sein können.« Oft spüren wir hinter solchen Aussagen die Verletzungen durch eigene schlechte Erfahrungen mit Kirche oder Christen – oder den Schmerz über das Böse in der Welt im Namen Gottes. Die Frage dahinter: »Wären wir ohne Religion nicht besser dran?«

Menschen beurteilen Wahrheit zunehmend durch Erfahrung – nicht durch logische Beweise

Wir beobachten, dass es heute weniger wirkungsvoll ist, die Vernünftigkeit des christlichen Glaubens zu erklären oder die Beweise für seinen Wahrheitsanspruch darzulegen. Solche Argumente sind für viele nicht mehr der zentrale Stolperstein – oder Ausgangspunkt – wenn es um die Frage nach dem Glauben geht.

In der Vergangenheit, etwa zur Zeit der Aufklärung, investierte die Kirche viel Energie in das Sammeln von Belegen und das Formulieren schlüssiger Argumente für ihre Lehre. Diese Bemühungen halfen ihr, Menschen auf Augenhöhe zu begegnen – also da, wo sie gerade standen – und sich mit den Glaubensansprüchen des Christentums im Lichte wissenschaftlicher und weltanschaulicher Systeme auseinanderzusetzen.

Heute hingegen treffen viele Menschen Entscheidungen darüber, was wahr oder wertvoll ist, nicht mehr in erster Linie durch das Abwägen von Beweisen. Die Frage, ob der christliche Glaube »mehr Sinn ergibt« als andere Überzeugungssysteme, steht oft nicht im Vordergrund.

Gerade das kann für viele Christinnen und Christen eine entlastende Nachricht sein – vor allem für jene, die sich von der Idee des »Evangelisierens« überfordert fühlen. Die Angst, auf komplexe Fragen keine überzeugende Antwort zu haben, hemmt viele. Doch vielleicht müssen wir nicht alle Antworten wissen. Vielleicht sind wir vielmehr gefragt, auf überraschend praktische Fragen vorbereitet zu sein. Gibt es Wege, solche Fragen so aufzugreifen, dass sie echtes Interesse an Gott wecken – und junge Menschen ermutigen, selbst nach einem persönlichen Glaubensweg zu fragen?

Paulus jedenfalls wählte in Athen einen bemerkenswerten Zugang: In seiner Rede vor den nichtjüdischen Bürgern und Philosophen zeigte er auf Hinweise, die Gott in der Welt hinterlassen hat – und berief sich zugleich auf Stimmen aus der eigenen Kultur seiner Zuhörer, um einen geistlichen Denkprozess anzustoßen.

Daraus ergibt sich die Frage: Welchen gemeinsamen Boden haben wir mit den Menschen in unserem Umfeld? Welche Hinweise auf Gott gelten heute noch als plausibel? Wer oder was hat Autorität, um echtes Interesse an Glaubensthemen zu wecken? Und: Nach welchen Kriterien entscheiden Menschen heute, was für sie »wahr« ist?

Ein erster, klarer Befund zeigt sich schon bei oberflächlicher Betrachtung: Die höchste Autorität im kulturellen Selbstverständnis unserer Zeit ist das eigene Ich. Die individuelle Erfahrung ersetzt zunehmend externe Maßstäbe. Das überrascht nicht. Schon seit den ersten Kapiteln der Bibel – seit dem Sündenfall – strebt der Mensch danach, selbst zu bestimmen, was gut und richtig ist (Genesis 3). Heute zeigt sich diese Haltung vor allem darin, dass »Wahrheit« vor allem durch persönliche Erfahrung definiert wird.

»Bei diesen Jugendlichen hatte man fast den Eindruck, dass eine Sache nur dann relevant ist, wenn man sie selbst erlebt hat – sonst lohnt es sich nicht, darüber zu diskutieren oder sie zu hinterfragen: Fragen ist zwecklos. Es herrschte vielmehr eine »Komm und sieh«-Haltung. Sie erkannten: Wenn jemand es nicht selbst erlebt hat, wird er sich auch durch Argumente nicht überzeugen lassen. Persönliche Erfahrung war für sie der entscheidende Beweis. Das zeigt einen deutlichen Wandel darin, was junge Menschen heute als Beleg ansehen: Es geht weniger um Fakten, Zeugnisse oder historische Genauigkeit – und viel mehr darum, ob etwas persönlich erlebt wurde, also: ob etwas »für mich wahr geworden« ist.« — Quelle: No Questions Asked: The Findings from a Qualitative Study of 16–19 Year-Olds in Luton. The Youthscape Centre for Research, 2016, S. 22

Zu erkennen, dass die Menschen um uns herum Wahrheit vor allem durch Erfahrung definieren, war für viele von uns ein echter Augenöffner. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als bei mir der Groschen fiel – es war während eines Wahlfachs im Seminar. Diese neue Einsicht stellte plötzlich alles infrage, was ich bisher über Evangelisation und Reich-Gottes-Arbeit zu wissen glaubte. Es war genau an diesem Punkt – ich war gerade ein junger Jugendleiter – als sich eine Frage tief in meinem Herzen und Denken festsetzte:

Wie können wir jungen Menschen helfen, die nicht nach Gott suchen, keinen Bezug zur Kirche haben und keinerlei geistliche Vorgeschichte – und dennoch durch persönliche Erfahrung den Weg in eine rettende, verändernde Beziehung mit Jesus finden?

Die Neugier junger Menschen weckst du nicht mit Fakten – sondern indem du eine innere Sehnsucht berührst

Diese Frage beschäftigt uns seit über zwanzig Jahren in unterschiedlichen Kontexten der Jugendarbeit: Wie hilft man jungen Menschen, die Wahrheit zu erkennen, wenn sie sich dabei fast ausschließlich auf ihre eigenen Erfahrungen verlassen? Denn wenn die eigene Wahrnehmung zur obersten Instanz wird, birgt das auch Risiken – gerade angesichts der biblischen Einsicht, dass unser Denken vernebelt und unser Herz oft verdunkelt ist (Römer 1). Und doch, so wie Paulus, haben wir beobachtet, dass Gott sich oft gerade durch diese »akzeptierten Autoritäten« – also persönliche Erfahrungen und innere Regungen – in Bewegung setzt. Das hat uns dazu gebracht, neue Wege zu entwickeln, um Neugier zu wecken und Jugendliche einzuladen, sich auf den Weg des Glaubens mit Jesus zu machen.

Wie bei jeder Reise ist der erste Schritt oft der schwerste – aber auch der entscheidendste. Unsere Erfahrung zeigt: Der wirksamste Anfangspunkt ist nicht ein Argument, sondern ein Erlebnis. Der Moment, in dem ein Mensch erkennt: Ich habe eine Seele.

Vielleicht ging Paulus in Athen ähnlich vor, als er sagte: »Gott ist nicht fern von einem jeden von uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.« (Apostelgeschichte 17,27–28)

Im Kern sind wir als Menschen geistliche Wesen. Doch das ist den meisten im Alltag kaum bewusst.

Und genau hier beginnt unsere Arbeit.

Lerne, Sehnsucht zu wecken

Als Christinnen und Christen können wir lernen, Menschen zu begleiten und aufmerksam zu werden für ihre alltäglichen Gefühle, Fragen und Sehnsüchte – Hinweise auf ihre wahre geistliche Natur. Gott hat Spuren hinterlassen, die uns zu ihm führen wollen. Unsere Aufgabe ist es, auf diese inneren Bewegungen hinzuweisen – und vielleicht sogar gezielt Neugier zu wecken. Indem wir Räume schaffen, in denen Menschen geistliche Erfahrungen machen können, helfen wir ihnen, ihre »eingeschlafenen Glaubensmuskeln« wieder zu gebrauchen.

Sobald Menschen ihre geistliche Natur wirklich erfahren, beginnt die Relevanzbarriere zu bröckeln. Überzeugungen, die lange verschüttet und zugedeckt waren, kommen wieder an die Oberfläche. Anstatt zu dem Schluss zu kommen, dass Glaube sinnlos sei, erleben viele durch geistliche Erfahrungen neue Motivation, weiterzufragen und neue Wege zu entdecken.

Wir haben das immer wieder gesehen. Charlie – ein Teenager, den wir vor Kurzem begleiten durften – hatte ursprünglich gar nicht nach Gott gesucht. Für ihn war der Glaube nicht nötig, denn er empfand die Erklärungen der Evolution als ausreichend. Doch irgendwann begann er sich zu fragen, ob es da nicht mehr geben könnte. Kürzlich sagte er, wie bedeutungsvoll es für ihn wäre, von einer »höheren Macht« zu hören, dass er einzigartig und wertvoll ist.

Natürlich sind das erste, vorsichtige Schritte. Wir haben das Geistliche benannt, aber noch nicht Gott. Wir haben nicht zu Jesus eingeladen – und doch ist schon viel geschehen. Wir haben Bewegung ausgelöst. Eine Freundin steht jetzt mit einem Fuß im »Anproberaum des Glaubens«, wie wir es nennen könnten. Ein Arbeitskollege hat begonnen, »Glauben auszuprobieren«. Eine Jugendliche ist losgegangen – und kann nun begleitet werden.

Das bringt uns zur nächsten Frage:
Wie können wir Menschen dazu einladen, Erfahrungen zu machen, durch die sie entdecken, dass sie geistliche Wesen sind? Wie lernen wir, »Seelen zu berühren«?

In den letzten Jahren haben wir Methoden und Werkzeuge entwickelt, um genau das zu ermöglichen – in unterschiedlichsten Kontexten. Unsere Prinzipien möchten wir gerne mit dir teilen. Vielleicht ist unser »Stir Course« auch für deine Jugendarbeit oder Gemeinde hilfreich – besonders dann, wenn die Menschen, mit denen du arbeitest, noch gar keine Fragen zu Jesus oder dem Glauben stellen.

Wir setzen auf echte Begegnungen im Alltag – mit Freunden, Nachbarn, Kollegen, Mitschülern – und möchten helfen, gute Gespräche zu fördern. Es geht nicht darum, schnelle Antworten zu geben, sondern Wege zu finden, wie der Glaube überhaupt wieder relevant werden kann.

Wir freuen uns darauf, mit dir zu teilen, was wir gelernt haben. Aber wir sind überzeugt: Es gibt noch viel mehr zu entdecken, wenn es darum geht, diese Relevanzbarriere zu überwinden. Wir wollen gemeinsam weiter lernen – und vielleicht sogar neue Wege entwickeln.

Machst du mit? Willst du mit uns lernen, wie man »Sehnsucht weckt«?

Dieser Artikel wurde von Darin Stevens verfasst und zuerst veröffentlicht. Deutsche Version von Andy Fronius.

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