Ich und Kirche – eine ewige Spannung

Als Teenager hab ich angefangen, Kirche von innen zu erleben. Nicht nur von außen, sondern aktiv beim Mitmachen, mittendrin. Und ganz ehrlich: Ich hatte schnell das Gefühl, nicht reinzupassen.

Ich hab versucht, das zu machen, was vorgelebt wurde; versucht, mich anzupassen. Aber innerlich erlebte ich eine Spannung, die sehr viel Frust hervorgerufen hat. Von Zeit zu Zeit war ich auf Kriegsfuß mit Kirche. Meist innerlich, aber leider zu häufig auch äußerlich. Ich wollte Jesu Leib lieben, aber es fiel mir sehr schwer.

Irgendwann fragte ich mich auch: Was stimmt nicht mit mir? Warum fühle ich mich wie ein Rebell in einem System, das ich doch liebe? Warum ist da kein Platz für das, wofür mein Herz brennt? Ich wollte kein Rebell sein. Aber ich hab mich oft so gefühlt.

Heilung beginnt, wenn Jesus spricht

Irgendwann war ich Teil einer Gemeinschaft, bei der diese Spannung kaum zu spüren war. Es war heilend. Aber Jesus schickte mich an einen neuen Ort, und mit dem nächsten Ortswechsel und einer neuen Gemeinde war die Spannung wieder da.

So ging ich mit dieser Frage zu Jesus: Warum erlebe ich so viel Frust mit deinem Leib? Was stimmt mit mir nicht?

Und was er mir dann sagte, hat mein Leben verändert:

Esther, ich habe dich dazu berufen, die Brücke zu sein, über die Menschen in die lokale Gemeinschaft kommen. Deshalb wirst du immer diese Spannung erleben. Du wirst nie zum inneren Kreis gehören. Aber du wirst immer zu mir gehören und Teil meines Leibes sein.

Seitdem hat sich nicht alles aufgelöst – aber es hat sich eingeordnet.

Ich verstehe heute besser, woher diese Spannung kommt. Und dass sie nicht bedeutet, dass ich falsch bin. Sie ist Teil meiner Berufung.

Warum reden wir in Kirche so wenig über solche Spannungen?

Ich bin nicht allein damit. Ich spreche regelmäßig mit Menschen, die genau das erleben:

  • Sie lieben Jesus und wollen Teil von Gemeinde sein.
  • Aber sie stoßen immer wieder an unsichtbare Mauern.
  • Sie fühlen sich wie Fremdkörper – obwohl sie dazugehören.
  • Und ich frage mich: Warum reden wir da nicht drüber?

Warum helfen wir Menschen so selten, diese Spannungen ernst zu nehmen – statt sie zu ignorieren oder sich selbst die Schuld zu geben? Warum helfen wir Menschen nicht, tiefer zu schauen, um zu erkennen, wo diese Spannungen herkommen und hinzuhören, was Jesus darüber sagt? Manchmal scheint es einfacher, Menschen gehen zu lassen, sie gar zu ignorieren oder aus der Gemeinschaft auszuschließen, weil sie stören oder nicht passen. Oder es ist einfacher zu gehen und mit dem Finger auf die Kirche zu zeigen, statt sich mit sich selbst mal auseinanderzusetzen. Jesus hat einen besseren Weg für uns.

Was Paulus uns eigentlich mitgeben will – Epheser 4 im Heute

Ich liebe den Epheserbrief. Wusstest du, dass der Epheserbrief vermutlich kein exklusiver Brief an eine Ortsgemeinde war? Die ältesten Manuskripte lassen »in Ephesus« weg. Wahrscheinlich war er ein Rundbrief – für die Gemeinden der ganzen Region.

Warum ist das wichtig? Der Epheserbrief ist wie ein Manifest für eine andere Art von Kirche – eine, die nicht auf Institution, sondern auf Berufung baut. Nicht auf Hierarchie, sondern auf echte Gemeinschaft.

Paulus schreibt da nicht von einer perfekten Lokalgemeinde, die alles regelt. Er spricht vom Leib Christi – einem Organismus, der lebt, wächst, leidet, heilt.

Und jeder Einzelne hat darin eine Funktion. Jeder.

Jeder von uns hat den Anteil an der Gnade erhalten, so wie er ihm von Christus zugemessen wurde. – Epheser 4,7

Paulus zählt dann fünf Berufungen auf:

Und er hat die einen als Apostel gegeben und andere als Propheten. Er gab Evangelisten, Hirten und Lehrer, ... – Epheser 4,11

Nicht als Posten. Nicht als Titel.
Als Geschenk. An die Gemeinde. Von Jesus selbst.

Ihre Aufgabe?
Zurüsten. Freisetzen.
Den Leib aufbauen.
Nicht sich selbst, nicht ihre Organisation.

... damit sie die, die Gott geheiligt hat, zum Dienst ausrüsten und so der Leib des Christus aufgebaut wird mit dem Ziel, dass wir alle die Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes erreichen; dass wir zu mündigen Christen heranreifen und in die ganze Fülle hineinwachsen, die Christus in sich trägt. – Epheser 4,12-13

Heißt das jetzt, dass jede Gemeinde fünf Stellenbeschreibungen braucht?
Nein. Aber eine gesunde Gemeinde braucht die Kraft dieser Berufungen. Nicht unbedingt im Leitungskreis, aber spürbar in der DNA.

Viele davon funktionieren gerade nicht gut im klassischen Gemeindesystem, weil sich viele westliche Gemeindemodelle heute fast ausschließlich auf Hirten und Lehrer fokussieren und sich darin selbst begrenzen.

Wo sie begrenzt sind, fehlt Tiefe.
Oder Weite.
Oder Richtung.
Oder Trost.
Oder Wahrheit.

Paulus selbst war nie Gemeindepastor. Aber er hat Gemeinden gegründet, korrigiert, ermutigt. Nicht als Systemmanager, sondern als Vater im Glauben.

Titus und Timotheus, seine Mitarbeiter, waren keine Gemeindepastoren. Sie waren beauftragt, Gemeinden zu ordnen, Strukturen zu heilen, Berufung zu stärken. Sie dienten – regional, beziehungsorientiert, geistlich bevollmächtigt.

Vielleicht wirkt in deiner Region jemand apostolisch. Vielleicht lebt jemand evangelistisch. Aber vielleicht werden sie in Strukturen gezwängt, die sie lähmen. Was wäre, wenn gerade diese Menschen Antwort auf Jesu Gebet für seine Gemeinde sind? Was wäre, wenn das die Gaben sind, die Jesus eurer Region geschenkt hat?

Wenn wir Gemeinde nur nach Funktion bauen, glaube ich, verpassen wir das Herz Jesu. Wenn wir Gemeinde mit ihm bauen, lernen wir, dass er seinen Leib zusammenfügt und zusammenhält.

Von ihm her wird nämlich der ganze Leib zusammengefügt und durch jedes verbindende Gelenk zusammengehalten. Das geschieht in der Kraft, die jedem der einzelnen Teile zugemessen ist. So lässt Christus seinen Leib heranwachsen, dass dieser sich selbst aufbaut in Liebe. – Epheser 4,16

Ich wäre oft gern gegangen. Weg von Kirche. Raus aus den Spannungen.

Aber ich bin geblieben – nicht, weil alles gut war oder gut ist, sondern weil ich weiß: Jesus hat mich berufen, ihm dahin zu folgen, wo er gerade weiterbauen möchte.

Ich bin nicht berufen, das System zu sprengen. Aber ich bin auch nicht berufen, mich dem System zu unterwerfen.

Ich bin berufen, Brücke zu sein. Zwischen Jesus und Menschen.

Was, wenn du berufen bist – aber nicht in die Box passt?

Du willst Jesus nachfolgen. Du liebst Gemeinde.
Aber irgendwie… passt du nicht rein?

Du fühlst dich wie ein Gast, nicht wie ein Teil der Familie.
Du bist da, aber nicht drin. Kommt dir das bekannt vor?

Vielleicht bist du nicht falsch. Vielleicht bist du anders berufen.

Und jeder trägt Berufung. Jeder.

Paulus hat Gemeinde gebaut – ohne überhaupt Gemeindeleiter zu sein.
Er hat gesendet, gefördert, freigesetzt, korrigiert, ermutigt, neu gedacht. Von außen. In Beziehung. Mit Liebe für den ganzen Leib als Teil des Leibes.

Vielleicht bist du wie er: Brückenbauer. Grenzgänger.
Nicht gemacht fürs Zentrum – sondern für die Schnittstelle.
Eine Person, die außen steht – weil sie Brücken baut und ihr Herz für Menschen am Rand schlägt.

Vielleicht hältst du es innen nicht aus, weil du gerufen bist, das Innenleben der Gemeinde zu ergänzen – nicht zu tragen. Nicht gegen die Gemeinde. Sondern für die, die noch nicht da sind. Weil du für draußen gemacht bist und außen stehen musst, um andere hineinzuführen.

Was, wenn dein Frust nicht bedeutet, dass du falsch bist, sondern dass dir etwas fehlt?

Ich glaube: Wir setzen uns zu wenig mit unserer Berufung auseinander, weil es bequemer ist, über andere zu reden. Über Leitung. Strukturen. Grenzen. Wir spüren Spannung – aber statt Jesus zu fragen, lassen wir Dampf ab. Aber was, wenn die Spannung, die wir erleben, eine Einladung ist?

Ein paar Denkanstöße

Setz dich hin. Nimm einen Stift. Frag Jesus:

  • Warum fühle ich diese Spannung?
  • Was willst du mir damit zeigen?
  • Was hast du mit mir vor?

Reflektiere für dich:

  • Was bringt dein Herz in Bewegung – aus Freude oder aus Frust?
  • Welche Themen ziehen dich immer wieder an?
  • Wo brauchst du Heilung, um nicht zu fliehen – sondern zu bleiben und Jesus dahinzufolgen, wo er für dich etwas vorbereitet hat?

Als Nächstes, hör auf, deinen Frust zu pflegen. Es ist bequemer, andere verantwortlich zu machen. So ging es mir. Aber Frust kann ein Fingerzeig sein. Was, wenn Jesus dich längst ruft – und du hast es nur noch nicht eingeordnet?

Was, wenn Jesus dir längst sagt:
»Du bist nicht falsch – aber nicht am richtigen Ort.«
»Ich hab mehr mit dir vor – aber woanders.«
»Ich will dich senden – nicht hier festhalten.«
Nicht, um dich loszuwerden. Sondern um seinen Leib mit dir als Teil davon aufzubauen.

Kämpfe nicht gegen den Leib.
Kämpfe nicht gegen Strukturen.
Kämpfe nicht gegen dich selbst.

»Kämpfe den guten Kampf, der zu einem Leben im Glauben gehört, ...« (1. Timotheus 6,12).

Finde deinen Platz im Leib.
Kämpfe für den Aufbau des Leibes
Kämpfe für das, wozu du gemacht bist.

In Christus Jesus sind wir Gottes Meisterstück. Er hat uns geschaffen, dass wir tun, was wirklich gut ist, gute Werke, die er für uns vorbereitet hat. Damit sollen wir unser Leben gestalten. – Epheser 2,10

Und wenn wir anfangen, Kirche neu zu sehen…?

Ich glaube, Paulus hat etwas viel Größeres gesehen als das, was wir heute oft »Kirche« nennen.

Er sah keine Einzelinsel mit festen Programmen, sondern einen beweglichen, vernetzten Leib, der in einer Region gemeinsam unterwegs ist.

Er schreibt den Epheserbrief nicht an eine einzelne Ortsgemeinde, sondern an alle Gläubigen der Region – wahrscheinlich dutzende Hauskirchen, lose verbunden, aber innerlich eins.

Er spricht von einem Leib, einem Glauben, einem Herrn. Es sind nicht viele Leiber. Es gibt nur einen Leib.

Und er sagt: Gott hat uns so unterschiedlich gemacht – damit wir uns gegenseitig aufbauen.

Wie könnte das heute aussehen?

Was wäre, wenn wir als Christen in einer Stadt oder Region wieder anfangen würden, nicht in Denominationen oder Gemeindeverbänden zu denken – sondern in Berufungen?

Was wäre, wenn Lehrer sich gegenseitig ergänzen statt vergleichen?

Was wäre, wenn Evangelisten wieder Raum hätten, um Menschen zu erreichen – und Brücken in die Gemeinschaft zu bauen?

Was wäre, wenn Propheten nicht stören, sondern – wie Paulus es schreibt – trösten, ermahnen, aufbauen (1. Korinther 14,3)?

Was wäre, wenn apostolisch begabte Menschen Freiräume schaffen für Neues – wie Paulus es durch seine Reisen und Gründungen tat?

Was wäre, wenn Hirten sich nicht allein um alle kümmern müssen, sondern Teil eines größeren regionalen Teams sind?

Was wäre, wenn nicht jede Gemeinde alles selbst machen müsste – sondern jede Gemeinschaft ihren Teil beiträgt, damit der ganze Leib gesund ist?

Nicht gleichförmig. Sondern vielfältig geeint.

Ich glaube, das ist das Bild, das Paulus vor Augen hatte.

Und vielleicht fängt es bei uns damit an, dass wir aufhören zu fragen: Wo passe ich rein?

Sondern anfangen zu fragen: Wo darf ich Brücke sein? Wo kann ich dienen? Wen kann ich ergänzen?

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