Wie schön ist das Leben?

Ich sitze seit Stunden an dem verzweifelten Selbstversuch, mich im sogenannten Homeoffice irgendwie auf irgendetwas Produktives zu konzentrieren – da dringen auf einmal neue Störgeräusche an mein Ohr. Sohn 01 grölt im Wohnzimmer:

Wie ist das Leben? Das Leben ist schön?
Wie schön ist das Leben? Ganz schön schön! WOHO„Das Leben ist schön“, Alte Bekannte

Bevor ich mich ärgern kann, dass es mit der Sekundenfokussierung schon wieder vorbei ist, denke ich: »na wenigstens nicht die Titelmelodie von PAW Patrol – die höre ich hier sonst ›öfter mal‹«.

Eigentlich freut es mich ja, dass Sohn 01 glücklich ist. Sehr sogar. Vor allem trotz dieses Virus, trotz Leben ohne Kindergartenfreunde, Besuch bei Oma und Opa, mit oft genervten Eltern, die sich merkwürdigerweise zwischendurch »konzentrieren« wollen und arbeiten müssen, obwohl sie doch zu Hause sind und …

Warum bin ich eigentlich nicht glücklich, sondern eher genervt, dünnhäutig und viel antriebsschwächer als gewohnt? Ich gönne Sohn 01 sein Glück von ganzem Herzen, aber warum ist er glücklich und ich nicht? Was soll das?

Wie geht’s Dir gerade?

Bist Du glücklich?
Wenn ja, wie machst Du das?
Wenn nein, warum eigentlich nicht?

Kann man Glück messen?

Aber was ist Glück eigentlich genau? Lässt sich das messen, wie glücklich ich bin? Und wann ist’s genug Glück?

Es gibt tatsächlich so etwas Ähnliches, wie einen Welt-Glücks-Index, den Global Emotions Report. Hier wird in jährlicher Neuauflage versucht, die weltweiten Gefühle (positiv wie negativ) einzufangen und abzubilden.

Jetzt kennst du dich und genug andere Menschen um dich herum, um zu wissen: Deutschland ist nicht das Land mit den glücklichsten Menschen. Man möchte fast sagen, im Gegenteil. Denn wo wir an der Weltspitze mitspielen können, das ist beim Stress. In Deutschland fühlen sich neun von zehn Menschen von ihrer Arbeit gestresst, um die 50 %  glauben, sie könnten von einem Burn-out bedroht sein. Ist das nicht krass? Allein, wenn ich das lese, stresst mich das schon …

Aber auch der Rest der Welt badet jetzt nicht jeden Tag in Glücksgefühlen. Der Global Emotions Report zeigt, dass Gefühle wie Angst, Schmerz, Wut, Sorge und Stress weltweit auf einem Rekordhoch verharren. Das wird 2020 nicht besser werden – Corona lässt grüßen.

Wer wird Glücksweltmeister?

Spannend wird es, wenn der Report die Länder auflistet, in denen am meisten positive Emotionen vorherrschen – also Lächeln, Lachen, Lebensfreude.

Welche Länder erwartest du unter den Glücks-Top-Ten?

Es ist kein Industrieland darunter. Keines der Länder mit den weltweit höchsten Lebensstandards. Nein.

Stattdessen sind darunter neun lateinamerikanische Länder. Länder, in denen es viel Armut, organisierte Kriminalität und Gewalt und teils heftige Naturkatastrophen gibt. Die Plätze eins bis drei gehen an Paraguay, Panama und Guatemala.

Was macht wirklich glücklich?

Moment mal – hört man über diese Länder in den Nachrichten nicht vor allem Negatives? Sollten die glücklichsten Leute nicht eigentlich da wohnen, wo alle genug zu essen haben, es gute Sozialsysteme gibt, die Gesundheitsversorgung funktioniert, alle frei sind, es eine Rente gibt und und und? Sollten die glücklichsten Menschen nicht in den Industrienationen leben? Bei uns?

Sollten die Menschen nicht da am glücklichsten sein, wo sie viel Geld und damit viele Möglichkeiten haben? In Deutschland liegt der Durchschnittsverdienst (brutto) bei 46.560 € – der durchschnittliche Jahresverdienst in Paraguay liegt bei 4.500 €.

Sollten sie vielleicht, tun sie aber augenscheinlich nicht.

Liegt Glück dann vielleicht gar nicht so viel an meinen Umständen?

Wenn die Verhältnisse uns nicht bestimmen…

Also Geld macht anscheinend nicht glücklich. Ist auch ganz gut, habe eh keins. Ein hoher Lebensstandard nicht, gute Versorgung nicht, ein stabiles System in dem ich lebe auch nicht (lustig, dass wir genau das alles irgendwie krampfhaft retten wollen in der Corona-Krise, oder?)

Die Umstände sind es nicht. Muss also etwas anderes sein. Aber was?

Denn ein Herz voll Freude sieht alles fröhlich an,
ein Herz voll Trübsal alles trübe.Martin Luther

Es bleibt uns ja kaum was anderes, als wir selbst. Wenn’s nicht die Umstände sind, die unser Glück bestimmen, haben wir das wohl irgendwie selbst in der Hand.

Dann hat es wohl damit zu tun, was mir wichtig ist, wie ich Dinge erlebe, Situationen einschätze und auf meine Umstände reagiere?!

»In uns selbst liegen die Sterne unseres Glücks« Heinrich Heine

… hat Heinrich Heine gesagt. Aber kann das so einfach sein?

Wer glücklich sein möchte, nimmt sein Leben selbst in die Hand und hat den Mut, es so einzurichten, wie es für ihn/sie gut ist.

Und dabei geht es eben nicht um viel Geld, ein großes Haus, ein imposantes Auto, berühmt sein oder so’n Kram … weil das am Ende eben nicht glücklich macht. Das hört sich ja erst mal unglaublich an, weil uns in jeder Werbung verkauft werden soll, dass wir nur so glücklich werden können. Aber wenn wir ehrlich sind, wissen wir eigentlich, dass unser Glück an so etwas nicht wirklich hängt.

Glücklich sein gelernt in Afrika

Als ich Anfang des Jahres in Kenia und Äthiopien sein durfte, habe ich unglaublich beeindruckende Menschen getroffen. Menschen, die nie wissen, ob sie genug Geld für wenigstens eine Mahlzeit am Tag zusammen bekommen. Die ohne fließendes Wasser, Strom, Toiletten etc. in grässlichen Bedingungen im Slum leben.

Nicht nur einmal habe ich mir gedacht: Wenn ich so leben müsste, ich hätte die Kraft gar nicht, morgens wieder aufzustehen und mich diesem Kampf ums Überleben an diesem menschenunwürdigen Ort neu zu stellen.

Aber dort sind ganz viele Menschen, die das schaffen. Die Hoffnung haben, Lachen können, ihr bisschen Leben in die Hand nehmen und einfach das Beste daraus machen.

Die eine Würde und Lebensfreude ausstrahlen, wie ich es selten erlebt habe – und die sagen können: Ja ich bin glücklich. Mitten in dem ganzen Mist hier.

Nach einem Tag im Slum war ich dreckig, staubig, hatte den furchtbaren Gestank, der dort herrscht, in der Nase und wollte nur noch eins: Duschen.

Während ich in meinem Hotelzimmer unter der Dusche stehe, packt mich auf einmal die Erkenntnis: Mein Bad in diesem Hotelzimmer ist größer als die Hütte in der die Menschen, die ich heute kennenlernen durfte, mit ihrer ganzen Familie leben. Und es ist besser ausgestattet. Ich habe alles hier. Strom, fließendes Wasser, eine Toilette … das gibt es im Slum nicht.

Und ich Arsch wage es unglücklich zu sein, weil ich mit dieser oder jener Kleinigkeit in meinem Leben nicht 100 % zufrieden bin?  
Ich habe überhaupt nicht das Recht unglücklich zu sein. Dafür geht es mir viel zu gut. Ich habe alle Möglichkeiten – ich muss nur aus dem Quark kommen und sie auch nutzen.
Wenn Menschen mitten im Slum glücklich sein können, dann ist es meine Pflicht alles dafür zu tun, ebenfalls glücklich zu sein!Heikos Duschmanifest im Januar 2020 in Nairobi, Kenia

Darum bemühe ich mich seitdem – auch in Corona-Zeiten (und mit eher mäßigem Erfolg, wie aus dem Beispiel zum Start hervorgeht).

Mein Glück und die anderen

Noch etwas habe ich in Afrika neu gelernt.

Glück als Egotrip ist auf Dauer Scheiße. Glück hat immer etwas mit den anderen zu tun. Mit Gemeinschaft.

Wenn du glücklich sein möchtest, wenn du überlegst, wie dein Leben gestaltet sein kann, dass es echt gut ist für dich. Dann funktioniert das nur so richtig gut, wenn dein Leben nicht nur dich glücklicher macht, sondern auch andere.

Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.Albert Schweitzer

Ob wir in den Industrienationen vielleicht deshalb nicht zu den glücklichsten Ländern gehören, weil es hier so viel um uns allein geht, um das, was wir erreichen können, haben müssen,  unsere Bedürfnisse zu befriedigen hat … und so wenig um andere?

Gott als Glücksverstärker

Als Christen wissen wir eh, dass echtes Glück – Freude, Frieden, das ganze Zeug – von Gott kommt und schon allein deswegen nichts mit unseren Umständen zu tun haben kann.

Möge der Gott der Hoffnung euch mit aller Freude und allem Frieden erfüllen, wenn ihr auf ihn vertraut, sodass ihr durch die Kraft des Heiligen Geistes von Hoffnung überströmt werdet.Römer 15,13

Jetzt dein eigenes Glück machen

Hey, das ist doch eine echt gute Botschaft: Ob grad Corona ist oder nicht, hat nichts damit zu tun, ob du glücklich sein kannst!

Wir dürfen dazu noch Vorurteile abbauen – Menschen in Ländern mit viel Armut sind nicht nur ein Hort der Verzweiflung. Auch da gibt es Glück – und Menschen, die dieses Glück machen. Von denen dürfen wir lernen!

Trotz allem lächeln, für andere da sein und die Hoffnung behalten. Trotzdem das Leben in die Hand nehmen, gestalten und etwas daraus machen das Bedeutung hat. Für mich, für dich und für uns alle.
Als Mitarbeiter_in in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bist du da doch auf einem ziemlich guten Weg!

Das ist Glück. Du kannst es machen.
Für dich und gemeinsam mit den Kids, Teens und Jugendlichen. Gerade jetzt!

Dabei kommt es auf dich als Mitarbeiter_in besonders an. Denn: Launen färben ab. Glücklich sein färbt genauso ab wie unglücklich sein.

Los gehts!

Ich bin glücklich, dass ich mich trotz Homeoffice bis zum Ende dieser Kolumne konzentrieren konnte – und noch glücklicher, wenn du jetzt grinst 🙂
Dein Heiko

Foto von Artem Beliaikin auf Unsplash

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