Manchmal lernt man die wichtigsten Lektionen nicht in der Kirche, sondern auf dem Campingplatz. Marc Bareth war genau da. Ein Familienurlaub, ein Sturm – und plötzlich eine Lektion fürs Leben.

Wir waren zelten. Zum ersten Mal mit unserer eigenen Campingausrüstung. Unser Zelt war brandneu und bot genug Platz, um an Schlechtwettertagen auch mal als ganze Familie Gesellschaftsspiele im Trockenen zu spielen. Und natürlich kündigten sich diese stürmischen Tage gleich zu Beginn unseres Urlaubs an. Doch wir waren guten Mutes. Zur Sicherheit hämmerte ich die Heringe tief in den Boden, bis sie vollständig darin verschwunden waren. Außerdem spannte ich alle Abspannleinen besonders straff.

Als wir am nächsten Tag einen Ausflug machten, kam der Anruf vom Campingplatz. Die freundliche Dame am Telefon erkundigte sich, ob wir schon auf dem Rückweg seien – unser Zelt stehe nämlich nicht mehr.

Ob unser Zelt wohl davongeflogen war? Oder war es vom Sturm so zerfetzt worden, dass es unbewohnbar war? Auf der Rückfahrt zum Campingplatz malten wir uns abenteuerliche Szenarien aus. Die Realität war zum Glück weniger spektakulär: Es war lediglich eine Zeltstange geknickt. Glücklicherweise hatten wir viele nette Nachbarn, die uns mit Seilen aushalfen und so konnten wir unseren Urlaub problemlos fortsetzen.

Seltsamerweise war unser neues Zelt das einzige auf dem ganzen Platz, das an diesem Tag beschädigt wurde. Meine Analyse war schnell gemacht: Offensichtlich handelte es sich um einen Materialfehler. Doch insgeheim befürchtete ich, dass es auch etwas mit meiner Abspanntechnik zu tun haben könnte. Also zog ich die Abspannleinen noch straffer. Sicher ist sicher.

Das Schöne am Leben auf dem Campingplatz ist, dass man viel Zeit hat. Zeit, um nachzudenken – über Abspanntechniken zum Beispiel. Als blutiger Anfänger recherchierte ich im Internet, um aus meinen Fehlern zu lernen. Dabei wurde mir klar, dass man die Leinen nicht nur zu locker, sondern auch zu straff spannen kann. Wahrscheinlich war genau das das Problem. Das Zelt hatte nicht genug Spielraum, um sich dem Wind anzupassen und sich zu verformen, weshalb eine Stange brach. Wieder etwas gelernt.

Während des Urlaubs sind mir die Parallelen zwischen dem Zeltaufbau und unserer Erziehung bewusst geworden. Auch bei unseren Kindern können wir die Abspannleinen zu straff oder zu locker spannen, etwa bei der Glaubensvermittlung oder beim Medienkonsum.

Wenn wir die Leinen zu locker spannen, fehlt die Stabilität. Solange das Wetter ruhig bleibt, merkt man es kaum. Aber sobald der Wind etwas stärker bläst, wird das Zelt weggedrückt. Wenn wir unseren Kindern keinen Rahmen geben, innerhalb dessen sie gestalten dürfen, dann fehlt ihnen Orientierung und Sicherheit.

Spannen wir die Leinen jedoch zu straff, riskieren wir Brüche. Brüche in der Beziehung zwischen unseren Kindern und uns. Wenn ein Kind sein Bedürfnis nach Autonomie und Mitbestimmung nicht genügend ausleben kann, weil alles strikt geregelt ist, besteht die Gefahr, dass es mit seinen Eltern und dem, was ihnen wichtig ist, bricht. Es bricht aus der engen Umklammerung aus.

Deshalb nahm ich mir auf dem Zeltplatz vor, zusammen mit meiner Frau immer wieder zu überlegen, ob unsere Kinder einerseits genug Vorgaben, Anforderungen und Grenzen und andererseits genug Freiheit, Gestaltungsraum und Eigenverantwortung haben. Die Kunst besteht darin, das richtige Maß zu finden – beim Zelten wie beim Erziehen.

Frage dich: Neigst du eher dazu, die Abspannleinen deiner Kinder zu locker oder zu straff zu spannen? In welchem Bereich willst du eine Anpassung vornehmen?

Gemeinsam für die nächste Generation,
Marc Bareth

Über dEN AUTOR
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Marc Bareth leitet bei Campus für Christus Schweiz den Bereich FAMILYLIFE. Er schreibt den empfehlenswerten Paarblog FIVE – 5 Minuten für Deine Beziehung.

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