Zerbrechlich wie Glas

Der Sozialpsychologe Jonathan Haidt bietet einige unterstützende Theorien für die Ursachen der Krise im Bereich der psychischen Gesundheit der heutigen Teenager und jungen Erwachsenen. Er zeigt sich sehr besorgt darüber, dass die Gen Z in einem »Verteidigungsmodus« zu leben scheint, anstatt auf Entdeckungstour zu gehen. Haidt, der sich seit Jahren mit diesem Phänomen beschäftigt, sagt, dass junge englischsprachige Menschen sehr ängstlich und kritikscheu sind.

»Wenn du dir Amerikaner ansiehst, die nach 1995 geboren wurden, stellst du fest, dass sie außerordentlich häufig unter Angstzuständen, Depressionen, Selbstverletzungen, Selbstmord und Sinnlosigkeit leiden. Noch nie war eine Generation so depressiv, ängstlich und zerbrechlich.« – Jonathan Haidt

Als Lösung schlägt er vor, das Alter für »Internet-Mündigkeit« auf 16 Jahre oder älter anzuheben, damit Tweens und jüngere Teenager eine »analogere« Kindheit erleben können. Es wird nicht jeder zustimmen, dass die Situation so alarmierend ist wie es Haidt beschreibt, und das ist auch gut so. Aber da es mit der psychischen Gesundheit einer ganzen Generation immer weiter abwärts geht, ist es wichtig, dass wir die Ursachen dafür verstehen und herausfinden, was im Jahr 2023 dagegen getan werden kann.

»Die psychischen Störungen sind bei Jugendlichen in den vergangenen zwei Jahren explosionsartig gestiegen«. – Kinder- und Jugendtherapeutin Miriam Hoff

Nutzung sozialer Medien und mentale Gesundheit

Vielleicht wird sich unsere Gesellschaft eines Tages an Haidts Empfehlung halten und die Internetnutzung wie das Autofahren betrachten. Irgendwann wird es vielleicht eine Möglichkeit geben, das Alter der Nutzer rechtmäßig zu überprüfen, und vielleicht müsste man einen Test zum Thema Internetsicherheit bestehen, bevor man sich legal einloggen darf.

Verantwortungsbewusste Eltern und Pädagogen ermöglichen Kindern neben einer allgemeinen Erziehung zum selbstbestimmten und besonnenen jungen Menschen auch schon vor den ersten praktischen PKW-Fahrstunden einige Erfahrungen im Verkehrsbereich. Das geht Schritt für Schritt: Laufen lernen, Bobbycar fahren, Dreirad fahren, kleinere Zusammenstöße und Schürfwunden am Knie überleben, Roller fahren, lesen lernen, Verkehrsregeln lernen, auf dem Verkehrsübungsplatz für die Fahrradprüfung üben, um nur einige Beispiele zu nennen. Überlegen Sie an diesen Beispielen doch einmal, woran man festmachen kann, ob eine Situation als Vorübung zur Medienmündigkeit geeignet ist. – aus: Paula Bleckmann. Medienmündig: Wie unsere Kinder selbstbestimmt mit dem Bildschirm umgehen lernen (S.36-37).

Natürlich würde es immer Kinder geben, die einen Weg finden, sich heimlich einzuloggen, ältere Geschwister, die sich für ihre jüngeren Brüder und Schwestern anmelden, usw. Niemand kann leugnen, dass sich die Gesellschaft verändert hat, als der Führerschein zur Voraussetzung für das Autofahren wurde; vermutlich würde sie sich erneut verändern, wenn es mit dem Internet genauso gehandhabt würde.

Das Internet ist nicht das Einzige, was Haidt als Ursache für die psychischen Krisen und den allgemeinen Mangel an Belastbarkeit bei der Gen Z vorschlägt. Haidt führt es zurück auf »die Kombination von sozialen Medien und einer Kultur, in der die Opferrolle hervorgehoben wird«. Aber die sozialen Medien können sich – falls dies im Jahr 2023 noch nicht schmerzhaft offensichtlich geworden ist – negativ auf die Gesundheit von Teenagern auswirken und tun dies oft auch.

»Wir haben mehr als hundert Jahre Erfahrung darin, Dinge für Kinder sicher zu machen. Wir verlangen Autositze und Sicherheitsgurte. Wir haben Zigarettenautomaten abgeschafft. Wir haben Zäune um Swimmingpools gestellt... [aber] das Leben hat sich vor 10 Jahren auf telefonbasierte Apps verlagert, und der Schutz, den wir unseren Kindern bieten, ist gleich Null, absolut Null.« – Jonathan Haidt

Den Eltern steht es frei, so etwas wie die von ihm vorgeschlagene Altersbeschränkung von 16 Jahren durchzusetzen. Ein Teil der Schwierigkeit besteht darin, dass unsere Kinder oft von anderen Kindern umgeben sind, die quasi unbegrenzten Zugang zum Internet haben, und niemand fühlt sich gerne ausgegrenzt. Aber wenn alle Gleichaltrigen unserer Kinder offline wären, würde sich natürlich auch alles andere ändern.

Fragen, die ein Gespräch mit deinen Teenagern anregen können:

  • Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr und alle eure Altersgenossen aus den sozialen Medien verbannt würden?
  • Was übersehen Erwachsene eurer Meinung nach bei Gesprächen über soziale Medien?
  • Was haltet ihr von der Idee eines Internet-Führerscheins? Ist das eine schlechte Idee? Oder findet ihr die super? Warum?
Dieser Artikel wurde vom Axis Creator Team verfasst und im englischsprachigen »Culture Translator« veröffentlicht. Deutsche Version von Olivia Felber.

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