Warum füllen wir Jugendarbeit oft mit hektischen Aktivitäten und Inhalten, anstatt einfach nur für junge Menschen da zu sein und ihnen zu dienen?

Anfang meiner Zwanziger dachte ich, ich hätte einen ausgefeilten Geschmack für Musik. Ich hörte abgefahrene Jazz-Alben. Mittlerweile habe ich eine grundlegende Wahrheit über mich selbst erkannt: Wenn es um Musik geht, bin ich ein kitschiger alter Knacker. Ich mag es etwas kitschig. Und da ich früher in Wien gelebt habe, gehört Billy Joels »Vienna Waits for You« selbstverständlich zu meiner Standard-Playliste.

In seinem Song singt Joel einer jüngeren Person Ermutigung und Tadel zu – vielleicht singt er dies für jemand Besonderen, oder einer jüngeren Version von sich selbst.

Mach langsam, du verrücktes Kind
Slow down you crazy child

Du bist so ehrgeizig für einen Jugendlichen
You're so ambitious for a juvenile

Aber, wenn du so klug bist, sag mir
But then if you're so smart tell me

Warum hast du immer noch so viel Angst?
Why are you still so afraid?

Was treibt dich an? Was bringt dich dazu, bis zum Umfallen zu arbeiten? »Mach langsam… Wann begreifst du endlich: Wien (in dem Lied eine Bezeichnung für ein entspanntes Leben) wartet auf dich?«

Mach langsam, du verrücktes Kind
Slow down you crazy child

Leg den Hörer daneben und verschwinde für eine Weile
Take the phone off the hook and disappear for a while

Es ist in Ordnung, du kannst es dir leisten, ein oder zwei Tage zu verlieren
It's alright, you can afford to lose a day or two (oooh)

Wann begreifst du endlich: Wien wartet auf dich?
When will you realize, Vienna waits for you?

Was treibt dich an?

Das ist eine interessante Frage für die kirchliche Arbeit im Allgemeinen und die Jugendarbeit im Besonderen. In einem Tweet habe ich kürzlich diese Frage gestellt:

»Warum füllen wir die kirchliche Jugendarbeit oft mit hektischer Aktivität und Inhalten, anstatt einfach nur zu sein und zu dienen?«

Die Anzahl der Antworten, Retweets und Likes deuten darauf hin, dass ich einen Nerv getroffen habe.

Ein Großteil der kirchlichen Jugendarbeit ist immer noch darauf ausgerichtet, eine Menge Energie in die Erstellung von Programmen und in Spiel und Spaß für junge Menschen aufzuwenden. Foto S. H. Gue

Ein Großteil der kirchlichen Jugendarbeit ist immer noch darauf ausgerichtet, eine Menge Energie in die Erstellung von Programmen und in Spiel und Spaß für junge Menschen aufzuwenden. Jugendleiter müssen die Jugendgruppe attraktiv und unterhaltsam gestalten – sonst kommen die Leute nicht. Der Theologe Andrew Root bezeichnet diese Haltung als »Ministerpräsidenten der Unterhaltung«. Und das ist anstrengend.

So manch ein Jugendleiter empfindet die Verantwortung für die Jüngerschaft junger Menschen nicht als heilige Verantwortung, sondern als erdrückende Last. Für sie fühlt es sich so an, als ob die gesamte Zukunft dieser jungen Menschen auf ihnen lastet. Und diese Last kommt oft nicht nur von den Jugendleitern selbst. Sie wird den Jugendleitern oft verbal und nonverbal von der Gemeinde kommuniziert (vor allem, wenn sie angestellt sind – wofür wirst du bezahlt, wenn nicht für Ergebnisse?)

Für sie fühlt es sich so an, als ob die gesamte Zukunft dieser jungen Menschen auf ihnen lastet. Und diese Last kommt oft nicht nur von den Jugendleitern selbst. Foto Kyle Broad

Die Last der Jugendarbeit

Überall um mich herum sehe ich Kirchen und Organisationen, die nach der »Dürrezeit« von Covid versuchen, den»Normalzustand« wiederherzustellen, indem sie neue Projekte ins Leben rufen. Die Energie ist hoch, hoch, hoch. Jetzt ist es an der Zeit zu handeln! Und doch habe ich Freunde in denselben Kirchen und Organisationen, die auf Reserve laufen – wenn sie nicht schon leer sind. Warnzeichen leuchten auf dem Armaturenbrett – Freiwillige ziehen sich zurück, Konflikte brodeln unbearbeitet vor sich hin, die emotionale Energie ist auf einem niedrigen Niveau.

Vielleicht liest du diese Zeilen und spürst die Auswirkungen dieses hektischen Lebens. Die fehlende Freude bei dem Versuch, einen weiteren unterhaltsamen Abend zu gestalten. Die Verspannungen und Ängste in deinen Schultern, in deinem Magen oder in deinem rasenden Gehirn. Die emotionale Gefühllosigkeit, als eine weitere ehrenamtliche Mitarbeiterin sich anderen Dingen zuwendet.

Was treibt uns an?

Schade, aber es ist das Leben, das du führst
Too bad, but it's the life you lead

Du bist dir selbst so voraus, dass du vergessen hast, was du brauchst
You're so ahead of yourself that you forgot what you need 

Warum fällt es uns als Kirche so schwer, eine Theologie und Praxis des einfachen Seins statt des Tuns zu leben?

Ich frage mich, ob es an der pochenden Angst liegt, Gott würde irgendwie nicht auftauchen. Deshalb müssen wir etwas tun (schließlich geht es um die nächste Generation der Kirche, nicht wahr?) und ernennen uns selbst zu Gottes Stellvertreter, der garantiert auftaucht, während wir uns nicht sicher sind, ob Gott es tut.

Natürlich werden wir das nicht zu uns selbst sagen. Natürlich glauben wir, dass Gott auftauchen wird. Das ist in unserer Theologie klar. Aber trifft das auch auf dein Leben zu?

Wenn du so klug bist – warum hast du dann so viel Angst?
But then if you're so smart tell me – Why are you still so afraid?

Autsch.

Kompensierst du auf einer Ebene diese Angst? Tue ich das?

  • Indem du versuchst, super unterhaltsam zu sein.
  • Indem du die ganze Verantwortung für die Nachfolge eines jungen Menschen auf deinen Schultern trägst.
  • Indem du aus einer globalen Pandemie mit neuen Ideen und neuen Projekten herausrennst, bevor du überhaupt Zeit hattest, dich auszuruhen, zu trauern und durchzuatmen.

Lernen zuzuhören

Deshalb schlug ich vor, anstelle des normalen Gruppentreffens einen Abend der Stille und Lectio Divina zu veranstalten. Lectio Divina bedeutet das langsame Lesen der Bibel und das Hören auf Gottes Stimme. Meine Co-Leiterin war zunächst skeptisch, aber ich konnte sie überzeugen und sie stimmte zu.

Ehrlich gesagt, hatte ich furchtbare Angst. Trotz meiner Entschlossenheit überkam mich die Furcht, dass alles schiefgehen könnte. Vielleicht würden die Jugendlichen keinen Nutzen daraus ziehen oder mich als langweiligen Leiter empfinden und sich anderweitig orientieren. Ich wagte es dennoch nicht abzusagen, da ich öffentlich zugesagt hatte. Außerdem hatte ich das Gefühl, gehorchen zu müssen.

Foto Hannah Busing

Gott ist tatsächlich aufgetaucht. Ich war überrascht von der Art und Weise, wie die Teenager mit Gottes Wort umgingen, gesegnet von einigen Dingen, die sie danach erzählten, und ermutigt, dass einige von ihnen noch viele Wochen lang dabei blieben.

Aber um an diesen Punkt zu gelangen, an dem Gott uns segnete, musste ich mich erst einmal meiner chronischen Angst stellen.

Ich musste mich von meinem eigenen »Tu-was-Bedürfnis« abwenden und eine »Sei-präsent-Haltung« einnehmen, um in diesem heiligen Moment zusammen mit den jungen Menschen anwesend zu sein.

Mach langsam, du verrücktes Kind
Slow down you crazy child

Leg den Hörer daneben und verschwinde für eine Weile
Take the phone off the hook and disappear for a while

Es ist in Ordnung, du kannst es dir leisten, ein oder zwei Tage zu verlieren
It's alright, you can afford to lose a day or two (oooh)

Wann begreifst du endlich: Wien wartet auf dich?
When will you realize, Vienna waits for you?

Warum füllen wir die kirchliche Jugendarbeit oft mit hektischen Aktivitäten und Inhalten, anstatt einfach zu sein und zu dienen? Was treibt uns an? Wie sähe es aus, wenn wir unsere chronische Angst anerkennen, uns der Leere stellen und im Hier und Jetzt für junge Menschen präsent sind – im Vertrauen darauf, dass Gott tatsächlich auftauchen wird?

Dieser Artikel wurde von David Bunce verfasst und zuerst von unseren Freunden bei youthscape.co.uk veröffentlicht, die die christliche Jugendarbeit in Großbritannien fördern. Deutsche Version von Esther Penner.

David ist ein britischer Pastor, der in einer Gemeinde in Bad Ischl, Österreich, arbeitet. Er leitet außerdem das Kinder- und Jugendwerk des Österreichischen Baptistenbundes, wo es seine Aufgabe ist, Ehrenamtliche und Gemeinden zu befähigen, großartige Kinder- und Jugendarbeit zu leisten. Er lebt mitten in den Alpen mit seiner Familie und einer ständig wachsenden Sammlung von Balkonpflanzen.

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