Willkommen zum MRJ-Wochenbriefing. Jede Woche beleuchten wir drei Themen, die die Lebenswelt von Jugendlichen prägen.

Drei Gesprächsthemen

1. »Bin ich süchtig, Andy?«

Worum es geht: Nach einem Vortrag fragte mich ein Jugendlicher diesen Monat genau die Frage im Zusammenhang mit Gaming. Meine Antwort: Ich bin kein Experte, aber ich spreche mit Menschen, die sich beruflich damit befassen. Die Return Fachstelle Mediensucht schätzt, dass etwa zwei bis drei Prozent der Jugendlichen wirklich gamingabhängig sind. Eine Studie der DAK-Gesundheit mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) zeigt, dass sich diese Zahl nach der Pandemie auf 6% verdoppelt hat. Wer bietet mehr? Jonathan Haidt, er verortet die Zahl noch höher, bei 5-12 Prozent. Kurz gesagt: Pathologische Nutzung steigt und wir sollten hinschauen.

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Ich empfehle die Broschüren der Return Fachstelle Mediensucht – verständlich, ehrlich und gut für Eltern wie Jugendliche. Besonders zu Gaming- und Pornosucht gibt es Material, das ich in jeder Gemeinde auslegen würde, weil es große Themen unserer Zeit offen anspricht. Für manche Gemeinden vielleicht etwas direkt formuliert, aber für Betroffene genau das Richtige. Am besten erst selbst lesen – dann gezielt weitergeben. Das Weiße Kreuz bietet zusätzlich starke Ressourcen wie dieses Workbook zum Thema Pornografie.

Du kannst dich erstmal beruhigen: Viele Jugendliche rutschen besonders in Ferienzeiten in ein suchtähnliches Gaming-Verhalten und finden nach einigen Wochen oder Monaten von selbst zurück. Sobald Schule, Alltag und Verantwortung wieder da sind, pendelt sich vieles ein. Die Wahrscheinlichkeit, wirklich abhängig zu sein, ist deshalb nicht besonders hoch. Aber beruhige dich nicht zu sehr: Allein, dass du diese Frage stellst, sagt mir etwas. Kennst du schon dieses Zitat? 

»Advice is what we ask for when we already know the answer but wish we didn't.« — Erica Jong. 

Wer nach Rat fragt, tut das selten ohne Grund. Meist ahnst du die unbequeme Wahrheit, hoffst aber insgeheim auf eine Entschuldigung. Und, sorry, die bekommst du hier nicht. Dafür bin ich zu sehr daran interessiert, dass dein Leben gelingt. Gaming ist schön, spannend, entspannend. Aber es frisst Zeit. Vielleicht verbringst du mehr Zeit damit, als dir guttut. Was denkst du darüber?

Ein einfacher Test hilft: Studien zeigen, dass Menschen sich schlechter konzentrieren, wenn der Pastor nicht aus einer echten Bibel liest, sondern vom Handy oder iPad. Wenn das schon bei einer Predigt passiert, um wie viel stärker ist der Effekt dann bei Dingen, die designt sind, dich zu fesseln? Kannst du ein paar Tage pausieren und fühlt sich das okay an? Wenn nicht, fang an Spielzeit reduzieren, ja zu begrenzen. Eine Person ins Boot holen, die nachfragt. Und vor allem den Zugang erschweren. Handy über Nacht in den Flur. Konsole nicht im Schlafzimmer. Weniger in Reichweite bedeutet weniger Versuchung.

Das 2-Fragen-Experiment: Stell dir X vor – das Spiel, die App, die Plattform, die dich am meisten zieht. Wie viel würdest du zahlen, damit die ganze Welt ab morgen damit aufhört? Und wie viel würdest du zahlen, damit es bleibt?

Wenn du mehr dafür zahlen würdest, dass es verschwindet, als dass es bleibt, dann hat es dich längst mehr gekostet, als du glaubst.

2. Sport wichtiger als Beziehungen

Worum es geht:  In der neuesten Studie über Jugend, Informationen und Medien (JIM) beobachtet der Medienpädagogische Forschungsbund Südwest erstmals eine Priorisierung von Sport gegenüber Freunde treffen (69% vs. 64%). Das JIM-Ergebnis zeigt, wie diszipliniert viele junge Menschen ein Commitment zu Sport, Fitness und Selbstoptimierung eingehen. Dass Freunde treffen plötzlich weniger wichtig wird als Sport, hat allerdings eher damit zu tun, dass viele aufgrund des hohen Smartphone-Konsums gar nicht mehr wissen, wie man Freunde live trifft. Man ist ja immer über WhatsApp und Co. verbunden und vergisst, für seine Freunde auch noch mal das Haus zu verlassen.

Warum es nur die halbe Wahrheit ist: Jugendliche betreiben Sport zumeist nicht allein, auch in Fitnesscentern treffen sie andere Menschen, meist Gleichgesinnte, und finden so zu neuen Beziehungen. Eine Studie in den USA fand kürzlich heraus, dass Jugendliche, die einer Sportgruppe angehören, eine höhere Wahrscheinlichkeit als andere Jugendliche haben, zusätzlich in einer kirchlichen Gruppe aktiv zu sein. Grob gesagt kann man davon ausgehen, dass Sport die soziale Ader eher stärkt und nicht schwächt. Zudem fördert Sport die Eigenverantwortung, Disziplin und je nach Sportart auch den Teamgeist.

Leider sind die Ergebnisse der JIM Studie verzerrt: Denn 67% der Teilnehmer waren Gymnasiasten. Im echten Bevölkerungsdurchschnitt wären es nur ein Drittel. Das bedeutet, dass man die Zahlen mit Vorsicht genießen muss, wenn laut JIM Studie Jugendliche mehr als vier Stunden täglich am Smartphone hängen, aber weniger als eine Stunde pro Tag lesen und dafür über zwei Stunden lang Musik und Podcasts über Steamingdienste hören… und anderthalb Stunden pro Tag gamen. Die echten Zahlen könnten viel extremer ausfallen.

Frag deine Jugendlichen: Hat dir ein Freund schon einmal eine Abfuhr erteilt, weil er Sport machen musste? Oder warst du dieser Freund? Wie hast du dich dabei gefühlt?

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