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Gute Kommunikation trotz Hormonchaos und Gehirnbaustelle

Viele Artikel über Teenager malen düstere Bilder von stürmischen Zeiten in Familien und betonen, was Jugendliche Schlimmes anstellen. Das ist weder für Eltern noch für Teenager ermutigend, die vielleicht zufällig danach greifen, was ihre Eltern über Erziehung lesen.

Claudia und ich hatten ein einschneidendes Erlebnis, kurz bevor unsere ältesten Kinder in die Pubertät kamen. Aus unserer Umgebung bekamen wir nicht gerade viele ermutigende Worte. Der härteste Spruch, den wir hörten, wenn andere unsere Kindermeute sahen, war: »Wartet ihr mal ab. Kleine Kinder, kleine Sorgen – große Kinder, große Sorgen!«

Und da wir die Ältesten im Dreierpack hatten (Zwillinge und ein etwas älteres Mädchen) bekamen wir echt Zukunftsängste. Die »Erlösung« kam in Gestalt eines amerikanischen Pastors, der mir beim Anblick unserer großen Familie den Arm um die Schulter legte und sagte:

»Eberhard, freu dich auf die Zeit, wenn deine Kinder Teenager sind. Große Kinder zu haben, kann etwas ganz Großartiges sein!«

So etwas hatte uns noch niemand gesagt. Das durchbrach unsere negative Gedankenfestung und machte uns Mut für die Zukunft. Gerade wenn es zwischendurch ganz deftig kam, hielten wir uns diesen Ausspruch vor Augen. Diese Ermutigung hat uns bei den bis jetzt 25 Jahren Teenagererziehung durchgetragen! Und die wollen wir dir auch zusprechen! Und den Teenagern, die zufällig mitlesen, wollen wir sagen: Ihr seid großartig! Wahre Schätze! Freut euch aufs Erwachsenwerden! 

Hormone spielen verrückt 

Ich hoffe, die Ausdrücke Hormonchaos und Gehirnbaustelle können auch von Teenagern mit Humor genommen werden. Über diese beiden Vorgänge im Körper sollten Eltern und Teenager gut Bescheid wissen, damit die Kommunikation weiterhin gelingen kann und verbale Ausrutscher nicht zu persönlich genommen werden. 

Die Pubertät wird ja bekanntlich durch Hormone ausgelöst. Die sogenannten Gonadotropine setzen die Prozesse im Körper in Gang. Östrogen und Testosteron werden in der Hirnanhangdrüse gebildet und lassen die Keimdrüsen wachsen. Während der Pubertät überwiegen bei Mädchen die Östrogene, bei Jungen die Testosterone. Soweit die Theorie. Doch was passiert in der Praxis? Die körperlichen Veränderungen – wie Wachstumsschübe, Körperbehaarung, Entwicklung der Geschlechtsorgane – sind allgemein bekannt und augenscheinlich. Was Eltern und auch Teenager seltener wissen ist, dass ebendiese Hormone auch das Gefühlsleben beeinflussen: plötzliche Stimmungsschwankungen von einem Hoch ins Tief, Unsicherheit, Zweifel, Ängste bis hin zu Depressionen und bei manchen ein unbändiger Freiheitsdrang.

Da macht man den gleichen Scherz wie ein paar Tage zuvor und das Kind rennt weinend aus dem Zimmer, obwohl es doch das letzte Mal gelacht hat. Oder es sitzt total depressiv am Abendbrottisch, schließt sich ins Zimmer ein oder lässt seine Launen lautstark raus. Zugegeben, das alles ist für normale Eltern schwer zu verkraften.

Aber denk nicht, dein Kind fände das toll – es ist genauso erschrocken über das, was sich in ihm abspielt und manchmal todunglücklich. 

Jetzt nachvollziehen zu können, dass da die Hormone verrückt gespielt haben, kann beiden Parteien Erleichterung verschaffen. Mütter müssten das Hormonchaos noch besser nachvollziehen können als Väter, denn die gleichen Hormone wirken auch während eines Monatszyklus – und oft haben Frauen in dieser Zeit auch mit Stimmungsschwankungen zu kämpfen. 

Damit muss man umgehen lernen! Ich habe mir bei manchen emotionalen Ausbrüchen meiner pubertierenden Kinder stets gesagt:

»Nimm’s bloß nicht persönlich. Es sind doch nur die Hormone!«

Das hat mir geholfen, gelassener zu bleiben und nicht gleich beleidigt zu reagieren. Andererseits bedeutet das Ganze nicht, dass ein Teenager ständig »die Sau rauslassen« darf. Nein, achtungsvolle Umgangsformen sind nach wie vor wichtig. Aber Teenager wie Eltern können mit diesem Wissen ein größeres Verständnis füreinander bekommen und vielleicht schneller zu einem »Es tut mir Leid« oder einem »Ich verstehe dich und hab dich trotzdem lieb« finden.


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Baustelle im Gehirn 

Das Hormonchaos ist aber nicht das Einzige, das die Kommunikation zwischen Eltern und Teenagern beeinträchtigen kann. Da ist noch die Baustelle im Gehirn. In der Pubertät setzt auch eine Neustrukturierung des Gehirns durch den Umbau von Nervenverbindungen ein. Bislang dachten Wissenschaftler, das Gehirn sei mit dem 12. Lebensjahr ein fertiges Produkt. Doch mithilfe der Kernspintomografie lassen sich heute die strukturellen Veränderungen im Gehirn sichtbar machen. Und die Aufnahmen zeigen, dass gerade in der Pubertät noch mächtig was in Bewegung ist und große strukturelle Veränderungen stattfinden.

Eltern sind manchmal verblüfft über bissige Kritik, irrational anmutende Diskussionsfreude oder in ihren Augen unlogisches Denken. Auch die schulischen Leistungen schwanken. Zu wissen, dass dies auf die Baustelle im Gehirn zurückzuführen ist, kann wiederum zu einem besseren Verständnis füreinander und zu größerer Toleranz führen. 

Miteinander im Gespräch bleiben 

Ganz arm dran sind Eltern und Teenager, die nichts von hormonellen Veränderungen und einer Neustrukturierung des Gehirns in der Pubertät wissen. Kein Wunder, wenn man dann die Nerven verliert, sich gegenseitig anschreit, tagelang schweigend vor sich hin brütet und sich total unverstanden und einsam fühlt. 

Wenn Eltern und auch Teenager jedoch um diese Zusammenhänge wissen und sie bei Ausrutschern wohlwollend berücksichtigen, dann besteht doch wirklich Hoffnung, dass man miteinander im Gespräch bleiben kann.

Schau dir die folgenden Beschwerden von Jugendlichen einmal aus ihrer Sicht an. Die Beschwerden sind aus einer Umfrage unter mehr als 800 Teenagern. Nach ihren Worten, 

  • geben Eltern zu schnell Patentantworten.
  • werden Eltern ärgerlich, wenn Kinder nicht gleich mit ihren Wünschen übereinstimmen. 
  • fallen Eltern ins Wort.
  • hinterlassen Eltern den Eindruck, zu beschäftigt oder besorgt zu sein.
  • reden Eltern zu lange, ohne dem Kind Gelegenheit zu geben, sich zu äußern.
  • sind Eltern zu sehr mit ihren eigenen Gedanken und Gefühlen beschäftigt.
  • stellen Eltern keine Fragen.
  • wollen Eltern nicht wissen, was Teenager wirklich denken. 
  • und verstehen ihre Gefühle nicht. 

Mehr als 70 Prozent der Teenager beschwerten sich in der Umfrage darüber, dass ihre Eltern sie anschreien. Dass Teenager so empfinden, ist unter den gegebenen Umständen nachvollziehbar. 

Klare Ziele setze  

Was nimmst du dir jetzt vor, nachdem du hinter die Kulissen des Kommunikationsdramas geschaut hast? Vielleicht einige der folgenden Vorsätze? 

  • Ich will Gefühlsausbrüche meines Kindes nicht mehr so persönlich nehmen. Ich weiß, dass es im Wesentlichen die Hormone sind und kein Angriff auf meine Autorität.
  • Deswegen lasse ich nicht alles durchgehen. Aber wenn ich mein Kind zurechtweisen muss, werde ich es trotzdem in den Arm nehmen und sagen: »Ich hab dich lieb«.
  • Ich will lernen, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten und mein Kind nicht unbeherrscht anbrüllen. Bei jeder ausufernden Diskussion erinnere ich mich an die Baustelle im Gehirn. Das heißt:
  • Ich will zuhören, ohne zu unterbrechen (auch wenn das Gesagte unmöglich klingt).
  • Ich will ruhig sprechen, ohne laut zu werden.
  • Ich will die Meinung meines Kindes achten und stehen lassen (Vorsicht mit Patentantworten).
  • Ich möchte wirklich wissen, was mein Kind denkt und fühlt.
  • Ich möchte nicht den Eindruck hinterlassen, keine Zeit zuhaben.

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Gefühle kontrollieren 

Mich hat alarmiert, dass über zwei Drittel der befragten Teenager auf die Frage, was ihrer Meinung nach der größte Fehler ihrer Eltern sei, angaben: »Bevor sie zuhören und versuchen, mich zu verstehen, schreien sie los, und alles wird noch schlimmer«. 

Allen Eltern gehen einmal die »Nerven durch« und sie brüllen los. Solange das nur gelegentlich vorkommt und man sich entschuldigen kann, ist das keine Katastrophe.

Um eine natürliche, warmherzige Beziehung aufrechtzuerhalten und mit deinem Kind im Gespräch zu bleiben, musst du dich möglichst immer im Griff haben und deine Wutausbrüche beherrschen. Ich sage das so eindringlich, weil häufige Überreaktionen einer Beziehung in mehrfacher Hinsicht schaden: 

  • Du entfremdest dein Kind und machst es ihm schwer, zu dir zu kommen, wenn es seine »Seelenbatterie« nachladen muss. 
  • Du verlierst an Respekt – eine sehr natürliche Reaktion auf jemanden, der sich nicht beherrschen kann. 
  • Dein Kind wendet sich womöglich lieber anderen zu – und du bist nicht mehr so wichtig. 

All das willst du sicherlich nicht! 

Denke an die letzten Wochen zurück und beantworte dir folgende Frage: »In welchen Situationen verliere ich die Beherrschung? Was sind die Auslöser, die mich zum Ausrasten bringen?«

Wenn du durchschauen kannst, wann du unbeherrscht reagierst, kannst du dein destruktives Verhaltensmuster eher ändern: 

  • Spürst du, dass du dich nicht mehr im Griff hast, verschiebe das anstehende Gespräch. 
  • Nimm stets das Beste an, solange du den Sachverhalt nicht genau kennst. Und bevor du loslegst, gib deinem Kind Gelegenheit, sich zu äußern. 
  • Bleib ruhig! Wenn es dir hilft, dann sag: »Du, das regt mich alles fürchterlich auf, aber ich will ruhig bleiben und hören, was du dir dabei gedacht hast«. 
  • Wächst dir alles über den Kopf, halte strikt den Mund und überlasse es – wenn möglich – deinem Partner, die Dinge zu regeln.

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